Klaus Grabner Bergfuchs Wien Team
Vielleicht eine etwas triviale Frage, aber was versteht man eigentlich unter „Weitwandern“?
Klaus Tatsächlich ist das gar nicht so einfach zu beantworten, es gibt dafür ja auch keine einheitliche Definition. Während für manche vielleicht ein mehrtägiges Hüttenhopping in den Wiener Hausbergen schon darunter fällt, finden manche Puristen vermutlich erst auf einem alten 200km langen Jagdtreck durch Nordalaska zu ihrer wahren Bestimmung.
Bergfuchs Redaktion:
Wie könnte so eine Definition vielleicht aussehen?
Klaus Wenn ich es an ein paar Punkten festmachen müsste, wären es neben der -nomen est omen- Bewältigung längerer und oft einheitlich markierter Wegstrecken, die möglichst autarke Fortbewegung zu Fuß unter Verzicht von Zuhilfenahme von Fahrzeugen und Seilbahnen, das selbständige Mitführen der dafür notwendigen Ausrüstung und Verpflegung und ganz allgemein ein Verzicht auf jeglichen unnötigen Luxus, etwa bei der Unterbringung in Schutzhütten oder auch im eigenen Zelt. Der Fantasie sind bei der tatsächlichen Ausgestaltung allerdings kaum Grenzen gesetzt und jede Wanderung stellt ganz eigene Anforderungen, die es zu bewältigen gilt, die man aber auch den eigenen Wünschen und Vorstellungen anpassen kann.
Bergfuchs Redaktion:
Worin liegt dabei die besondere Faszination?
Klaus Gehen ist ja schon für sich eine der natürlichsten und gesündesten Fortbewegungsmethoden. Doch erst mit der Dauer entfaltet es auch seine meditative Wirkung. Es gibt für mich keine bessere Methode den Kopf von allen Gedanken, Sorgen und Ängsten frei zu bekommen, als stundenlang durch die unberührte Natur zu marschieren. Zudem erlaubt es einem die Urlaubsdestination von einer völlig anderen Seite kennenzulernen. Auf kaum eine Art kommt man besser mit dem Land und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern in Berührung, als durch das Wandern.
Bergfuchs Redaktion:
Wie sieht deine Vorbereitung aus?
Klaus Richtige Planung ist definitiv sehr wichtig, insbesondere wenn es ins vielleicht noch unbekannte Ausland geht, wo man mit den lokalen Gegebenheiten und Bräuchen nicht vertraut ist. In Österreich muss man sich kaum einmal auf einem normalen Wanderweg mit militärischen Sperrgebieten und eventuell undetonierten Sprengkörpern auseinandersetzen, in Großbritannien gehört das in gewissen Gegenden jedoch zum Alltag. Busch- und Waldbrände sind für uns etwas extrem Außergewöhnliches, während man diese in Südeuropa oft in die Tourenplanung integrieren muss.
Ich besorge mir dazu auch in Zeiten des Internets mit seinen unzähligen Blogs und Wanderberichten, immer noch gerne (sofern verfügbar) Tourenführer und das entsprechende Kartenmaterial aus der Region. Auch wenn vielleicht das eine oder andere Detail veraltet sein mag, bekommt man doch einen recht guten Überblick und die Autorinnen und Autoren sind oft echte Kenner der Gegenden und waren selbst schon viele Male vor Ort. Dieser reichhaltige Erfahrungsschatz kann extrem wertvoll sein, insbesondere, wenn spontane Planänderungen notwendig werden. Deshalb kommt der Reiseführer auch immer mit in den Rucksack.
Bergfuchs Redaktion:
Womit wir beim Packen wären. Wie sieht der ideale Rucksack aus?
Klaus: Ja, das ist mitunter der kniffligste Teil bei der ganzen Geschichte. Die Ausrüstungserfordernisse können natürlich so vielseitig sein, wie die Wege, auf denen wir unterwegs sind. Der Selvaggio Blu auf Sardinien erfordert Ausrüstung zum Abseilen, sowie das Anlegen von Lebensmitteldepots, wohingegen man auf dem Jurassic Coast-Path in Südwestengland neben der Halbpension in diversen Hotels auch einen Gepäcktransport arrangieren kann.
Ganz grundsätzlich wird man aber mit einem ergonomischen 50-70l Rucksack mit ordentlicher Rückenpolsterung sicher nicht verkehrt fahren. Dabei sollte man sich aber nicht rein am Volumen orientieren. Der Rucksack sollte laut einer Faustregel nicht schwerer sein als 20% des eigenen Körpergewichts. Das man diese das nicht immer ganz einhalten wird können, ist auch klar, aber als Orientierungshilfe ist sie dennoch ganz praktisch. Wenn der Rucksack dann aber schon 35-40kg auf die Waage bringt, sollte man aber vielleicht doch noch die eine oder andere Unterhose wieder auspacken.
Es läuft am Ende aber ohnehin wieder auf die alte Leier hinaus: So viel als nötig, so wenig wie möglich. Etwas kontraintuitiv, aber je anspruchsvoller das Terrain, desto klarer vordefiniert sind die Gegenstände im eigenen Rucksack. Wer bereits mit lebensnotwenigen Ausrüstungsgegenständen wie Zelt, Schlafsack, Isomatte, Gaskocher und Nahrung für mehrere Tage mehr als gut bepackt ist, wird auch ganz ohne aufwändiges Rechenbeispiel nicht auch noch drei Flaschen Chateau Mouton- Rothschild einpacken wollen, sondern eher versuchen die restliche Ausstattung auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
Bergfuchs Redaktion:
Was hat es mit dem Begriff des „Through-Hikings“ auf sich und warum hört man immer wieder von Personen, die den Griff ihrer Zahnbürsten abschneiden.
Klaus: Da wären wir dann auch schon ganz schön tief in der Materie angelangt. „Through-Hiking“ bezeichnet nichts anderes als das Durchwandern eines vordefinierten Weitwanderwegs an einem Stück, vom Start- zum Endpunkt. Das mag bei unseren österreichischen Weitwanderwegen nicht sehr spektakulär klingen, insbesondere bei den legendären amerikanischen Pacific Crest Trail und dem Apalachian Trail bedeutet dies allerdings je rund viertausend Kilometer Wegstrecke und monatelanges Wandern. Ein echter Ritterschlag für all diejenigen, denen dieses Kunststück gelingt. Die Zeit dafür haben in unserer hektischen Welt leider aber ohnehin nur die wenigsten, weshalb es sich eingebürgert hat, Weitwanderwege in Etappen zu splitten und dann Jahr für Jahr im Urlaub jeweils ein Stück davon abzuklappern. Eine recht pragmatische Lösung, aufgrund meines eigene Ehrgeizes verstehe ich aber natürlich schon auch den Anreiz einer kompletten Durchwanderung.
Die abgeschnittenen Zahnbürsten, die in meiner eigenen Erfahrung tatsächlich mehr als nur ein Klischee sind, betreffen hingegen wieder das leidige Thema Gewicht. Viele engagierte Wandersleute versuchen auch noch aus dem unbedeutendsten Teil die letzten Gramm herauszuholen. Daraus hat sich mittlerweile ein richtiger Sport entwickelt, dem auch schon die eine oder andere Zahnbürste zum Opfer gefallen ist. Sogar in eigenen Reddit-Foren wird darüber angeregt diskutiert und die Forenteilnehmer:innen präsentieren dabei die aberwitzigsten Modifikationen an ihrer Ausrüstung. Ich bin kein großer Fan davon. Es gibt so viele Arten und Wege Material und Gewicht einzusparen, vor allem beim Zelt, da muss man sicher nicht auch noch bei der Körperhygiene auf den letzten Rest Komfort verzichten.
Klaus Grabner geht in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne wandern. Er war schon auf diversen Weitwanderwegen in den Alpen, auf den britischen Inseln, sowie auf Korsika und in den Pyrenäen unterwegs und möchte in diesem Jahr auch die Toskana dieser Liste hinzufügen.
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